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Ernährungswissenschaft
04. März 2025

Pflanzliche Ernährung im Trend

Lea Jäger
Thiemo Osterhaus

Die Zahl der Menschen, die sich flexitarisch, vegetarisch oder vegan ernähren, steigt kontinuierlich – in Deutschland sind es bereits rund 10 % der Bevölkerung, Tendenz steigend. Immer mehr Menschen entscheiden sich aus gesundheitlichen, ethischen oder ökologischen Gründen für eine pflanzenbasierte Ernährung oder reduzieren ihren Fleischkonsum. Doch was bedeutet das aus ernährungsmedizinischer Perspektive? Während eine gut geplante pflanzliche Ernährung zahlreiche gesundheitliche Vorteile mit sich bringen kann, stellt sie gleichzeitig besondere Anforderungen an die Nährstoffversorgung.

Laut einer aktuellen Umfrage aus dem Jahr 2024 ernähren sich rund 1,52 Millionen Menschen vegan (etwa 1,8 % der Bevölkerung), während weitere 8,12 Millionen (9,7 %) angeben, weitgehend auf Fleisch zu verzichten (IfD Allensbach, 2024). Der Markt für pflanzliche Alternativen wächst stetig, und mit ihm auch das Bewusstsein für eine pflanzenbasierte Ernährungsweise.

Abb. 1: Anzahl der Personen in Deutschland, die sich selbst als Veganer oder Vegetarier einordnen (IfD Allensbach, 2024).

Doch pflanzenbasiert zu essen bedeutet nicht zwangsläufig, dass tierische Produkte vollständig gemieden werden. Während Veganer alle tierischen Produkte ausschließen, konsumieren Vegetarier weiterhin Milchprodukte und Eier. Zudem wächst die Gruppe der Flexitarier, die ihren Fleischkonsum bewusst reduzieren, ihn aber nicht komplett streichen. Gerade dieser Ansatz – Fleisch nur noch gelegentlich zu konsumieren – wird laut aktuellen Ernährungstrends immer beliebter.

Unabhängig davon, ob tierische Produkte ganz oder nur teilweise weggelassen werden, verändert sich die Nährstoffzusammensetzung der Ernährung deutlich. Während eine gut geplante pflanzenbasierte Ernährung gesundheitliche Vorteile wie ein geringeres Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Übergewicht bieten kann, gibt es einige Nährstoffe, die gezielter beachtet werden sollten.

Tierische vs. pflanzliche Produkte: Unterschiede in der Nährstoffversorgung

Die Nährstoffzusammensetzung tierischer und pflanzlicher Lebensmittel unterscheidet sich nicht nur in der Menge bestimmter Nährstoffe, sondern auch in deren Bioverfügbarkeit – also wie gut der Körper sie aufnehmen und verwerten kann. Während pflanzliche Lebensmittel reich an Ballaststoffen, sekundären Pflanzenstoffen und ungesättigten Fettsäuren sind, liefern tierische Produkte essenzielle Mikronährstoffe oft in einer Form, die der Körper effizienter verwerten kann.

Ein gutes Beispiel ist Eisen: In tierischen Lebensmitteln liegt es als Häm-Eisen vor, das deutlich besser aufgenommen wird als das Nicht-Häm-Eisen aus pflanzlichen Quellen. Ähnlich verhält es sich mit Vitamin B12, das ausschließlich in tierischen Lebensmitteln vorkommt, oder mit Omega-3-Fettsäuren (EPA/DHA), die in fettreichem Fisch vorkommen, während pflanzliche Quellen lediglich die Vorstufe ALA (α-Linolensäure) liefern.

Das bedeutet jedoch nicht zwangsläufig, dass eine pflanzliche Ernährung zu Defiziten führen muss. Durch gezielte Lebensmittelauswahl, eine geschickte Kombination von Nährstoffen und in einigen Fällen die Ergänzung über Supplemente kann auch eine pflanzenbasierte Ernährung bedarfsdeckend gestaltet werden. Entscheidend ist, die kritischen Nährstoffe zu kennen und bewusst in die Ernährung zu integrieren.

Unterschiede in der Nährstoffaufnahme

Die systematische Übersichtsarbeit von Neufingerl & Eilander (2021) analysierte 141 Studien, die zwischen 2000 und 2020 veröffentlicht wurden. Der Fokus lag auf der Bewertung der Nährstoffzufuhr und des Nährstoffstatus von Erwachsenen mit unterschiedlichen Ernährungsformen. Die meisten der betrachteten Studien stammen aus Europa, Nordamerika und Asien. Ein Blick auf die tatsächliche Nährstoffaufnahme zeigt deutliche Unterschiede zwischen Fleischessern, Vegetariern und Veganern:

Abb. 2: Nährstoffaufnahme bei Fleischessern, Vegetariern und Veganern (Neufingerl & Eilander, 2021)

Die Ergebnisse zeigen, dass Fleischesser mit durchschnittlich 16 % der täglichen Energiezufuhr die höchste Proteinzufuhr (a) aufweisen, während diese bei Vegetariern bei 13,4 % und bei Veganern bei 12,9 % liegt. Dennoch überschreiten alle Gruppen die empfohlene Mindestaufnahme von 10 % der Energiezufuhr. Ein anderer Trend zeigt sich bei den Ballaststoffen (b): Während Fleischesser im Durchschnitt nur 21 g/Tag aufnehmen, liegt die Zufuhr bei Vegetariern bei 28 g/Tag und bei Veganern mit 44 g/Tag deutlich höher – und damit innerhalb der empfohlenen Werte von 30–40 g/Tag.

Interessant ist auch die Aufnahme von Omega-3-Fettsäuren. Die PUFA-Zufuhr (c) ist bei Veganern mit 8,84 % der Energiezufuhr am höchsten, während Fleischesser mit 5,95 % die geringste Zufuhr aufweisen. Bei der Alpha-Linolensäure (d) liegt die empfohlene Mindestzufuhr bei 1.100–1.600 mg/Tag, was von Veganern im Durchschnitt erreicht wird. Kritisch wird es hingegen bei EPA und DHA: Fleischesser konsumieren deutlich mehr dieser langkettigen Omega-3-Fettsäuren, während Veganer und Vegetarier fast keine relevanten Mengen aufnehmen, was das Risiko für Defizite erhöht.

Ein ähnliches Muster zeigt sich bei Vitamin B12 und Vitamin D: Während Fleischesser mit 5,6 µg/Tag eine deutlich höhere Vitamin B12 Zufuhr haben, liegt die durchschnittliche Aufnahme bei Veganern nur bei 1,5 µg/Tag. Auch Vitamin D ist kritisch – mit einer Empfehlung von 10 µg/Tag erreichen die meisten Gruppen diesen Wert nicht, insbesondere Veganer mit nur 1,52 µg/Tag (Neufingerl & Eilander, 2021).

Diese Unterschiede zeigen, dass eine pflanzliche Ernährung eine bewusste Planung und strategische Lebensmittelauswahl erfordert. Allerdings verdeutlicht dies auch, dass Nährstoffmängel nicht ausschließlich ein Problem pflanzenbasierter Ernährung sind, sondern auch in der Allgemeinbevölkerung vorkommen.

Die folgende Tabelle gibt einen Überblick darüber, welche weiteren Nährstoffe je nach Ernährungsweise potenziell kritisch sein können und welche in vorteilhaft hohen Mengen aufgenommen werden:

Tab. 1: Zusammenfassung der Nährstoffversorgung nach Ernährungsweise (Neufingerl & Eilander, 2022)

Während Veganer eine hohe Zufuhr an Ballaststoffen, ungesättigten Fettsäuren (PUFA, ALA), Vitamin C und Folsäure aufweisen, sind sie besonders anfällig für eine unzureichende Versorgung mit Vitamin B12, D, Jod, Eisen (insbesondere bei Frauen), Calcium, Zink und Omega-3-Fettsäuren (EPA/DHA).

Vegetarier profitieren ebenfalls von einer guten Zufuhr an PUFA, ALA, Vitamin C, Folsäure und Magnesium, müssen aber ebenfalls auf eine ausreichende Aufnahme von Vitamin B12, D, E, Eisen, Jod, Calcium und Zink achten.

Fleischesser nehmen zwar mehr Protein, Vitamin B12 und Zink zu sich, haben jedoch eine geringere Zufuhr von Ballaststoffen, mehrfach ungesättigten Fettsäuren (PUFA, ALA) sowie Vitamin D, E und Folsäure.

Diese Zusammenfassung unterstreicht also, dass jede Ernährungsform sowohl Vorteile als auch potenzielle Mängel-Risiken mit sich bringt. Entscheidend ist eine durchdachte Lebensmittelauswahl, um Defizite zu vermeiden und eine optimale Nährstoffversorgung zu gewährleisten.

Ist das Risiko eines Nährstoffmangels übertrieben?

Immer wieder wird behauptet, dass eine pflanzenbasierte Ernährung automatisch zu Nährstoffmängeln führt. Doch ist das wirklich so? Wer sich rein pflanzlich ernährt, muss einige Nährstoffe gezielter im Blick behalten als Menschen, die tierische Produkte konsumieren. Vitamin B12, Jod, Kalzium, Eisen, Zink, Vitamin D und Omega-3-Fettsäuren (EPA/DHA) sind nunmal Nährstoffe, die in tierischen Lebensmitteln in gut verwertbaren Mengen enthalten sind, während sie in pflanzlicher Kost entweder in geringeren Mengen oder in weniger gut aufnehmbaren Formen vorkommen.

Allerdings bedeutet das nicht, dass eine vegane oder vegetarische Ernährung automatisch zu Mängeln führt. Vielmehr kommt es darauf an, wie bewusst und ausgewogen sie gestaltet wird. Wer sich intensiv mit seiner Ernährung auseinandersetzt, gezielt nährstoffreiche Lebensmittel kombiniert und gegebenenfalls auf Supplemente setzt, kann alle essenziellen Nährstoffe in ausreichender Menge aufnehmen.

Gleichzeitig ist es wichtig, realistisch zu bleiben: Auch in einer omnivoren Ernährung kommt es häufig zu Defiziten – etwa bei Ballaststoffen, ungesättigten Fettsäuren, Folsäure oder Vitamin D. Ein Stück Fleisch auf dem Teller bedeutet nicht automatisch eine perfekte Nährstoffversorgung.

Letztlich ist also nicht die Ernährungsform selbst das Problem, sondern die Umsetzung. Wer sich unausgewogen ernährt – egal ob mit oder ohne tierische Produkte – wird langfristig mit Nährstofflücken zu kämpfen haben. Die Frage sollte daher nicht lauten, ob eine pflanzenbasierte Ernährung zwangsläufig zu Mängeln führt, sondern wie man seine Ernährung so gestaltet, dass sie wirklich alle wichtigen Nährstoffe liefert.

Praktisches Take-Away

Die Forschung zeigt, dass insbesondere Vitamin B12, Jod, Calcium, Eisen, Zink, Vitamin D und Omega-3-Fettsäuren (EPA/DHA) potenziell kritische Nährstoffe in einer pflanzenbasierten Ernährung sind. Gleichzeitig zeigen Studien, dass auch bei einer omnivoren Ernährung Defizite in bestimmten Mikronährstoffen wie Ballaststoffen, mehrfach ungesättigten Fettsäuren, Folsäure und Vitamin D auftreten können. Allerdings könnten mit den folgenden Strategien eine ausreichende Versorgung unterstützt werden:

1. Gezielte Auswahl von Lebensmitteln: Der Fokus sollte auf nährstoffreichen pflanzlichen Quellen liegen, darunter Hülsenfrüchte, Vollkornprodukte, Nüsse, Samen und angereicherte pflanzliche Milchalternativen.

2. Nährstoffreiche Mahlzeiten kombinieren: Vitamin-C-haltige Lebensmittel wie Paprika oder Zitrusfrüchte fördern die Eisenaufnahme aus pflanzlichen Quellen. Eine Kombination verschiedener pflanzlicher Proteinquellen, etwa Hülsenfrüchte mit Getreide, verbessert zudem die biologische Wertigkeit der Proteine.

3. Regelmäßige Blutwerte-Checks: Besonders Vitamin B12, Vitamin D, Eisen, Zink, Jod und Omega-3 sollten regelmäßig überprüft werden, um mögliche Defizite frühzeitig zu erkennen.

4. Gezielte Supplementierung: Insbesondere Vitamin B12, Jod und Omega-3-Fettsäuren (EPA/DHA) sind in pflanzlicher Ernährung schwer über Lebensmittel zu decken sind. Eine gezielte Supplementierung könnte hier bei Mängeln sinnvoll sein.

5. Auf Bioverfügbarkeit achten: Bestimmte pflanzliche Stoffe wie Phytate und Oxalate können die Aufnahme von Mineralstoffen wie Eisen und Kalzium hemmen. Durch Maßnahmen wie Einweichen, Keimen oder Fermentieren von Hülsenfrüchten und Getreide kann die Bioverfügbarkeit verbessert werden

Die richtige Nährstoffversorgung spielt also nicht nur in einer pflanzenbasierten Ernährung eine entscheidende Rolle – besonders, wenn es um kritische Mikronährstoffe wie etwa Vitamin B12 geht. Während einige Nährstoffe durch eine gezielte Lebensmittelauswahl gut gedeckt werden können, ist bei anderen eine regelmäßige Supplementierung individuell sinnvoll.

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Als visionärer Gründer von Medletics vereint Thiemo seine medizinische Expertise in der Funktionellen Medizin mit einer tiefgreifenden Dozentenerfahrung. Sein umfassendes Wissen, insbesondere in den Bereichen Prävention und Hormontherapie, ergänzt er durch seine wertvollen praktischen Erfahrungen aus seiner eigenen Praxis.

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Christian ist Teil unseres Research Teams und beschäftigt sich täglich mit wissenschaftlichen Arbeiten und Studien. Er interessiert sich für das „Warum“ – also die Argumentationskette - hinter den Dingen und bereitet aktuelle Daten für Trainer, Therapeuten und Ärzte so auf, dass ihnen der Transfer von der Wissenschaft in die Praxis gelingt.

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Quellen

IfD Allensbach. (2024). Personen in Deutschland, die sich selbst als Veganer einordnen oder als Leute, die weitgehend auf tierische Produkte verzichten, in den Jahren 2015 bis 2024. Gefunden am 13.02.2025 unter https://de.statista.com/statistik/daten/studie/445155/umfrage/umfrage-in-deutschland-zur-anzahl-der-veganer/

IfD Allensbach. (2024). Anzahl der Personen in Deutschland, die sich selbst als Vegetarier einordnen oder als Leute, die weitgehend auf Fleisch verzichten, von 2015 bis 2024. Gefunden am 13.02.2025 unter https://de.statista.com/statistik/daten/studie/445155/umfrage/umfrage-in-deutschland-zur-anzahl-der-veganer/

Bali, A., & Naik, R. (2023). The Impact of a Vegan Diet on Many Aspects of Health: The Overlooked Side of Veganism. Cureus, 15(2), e35148. https://doi.org/10.7759/cureus.35148

Craig, W. J., Mangels, A. R., Fresán, U., Marsh, K., Miles, F. L., Saunders, A. V., Haddad, E. H., Heskey, C. E., Johnston, P., Larson-Meyer, E., & Orlich, M. (2021). The Safe and Effective Use of Plant-Based Diets with Guidelines for Health Professionals. Nutrients, 13(11), 4144. https://doi.org/10.3390/nu13114144

Neufingerl, N., & Eilander, A. (2021). Nutrient Intake and Status in Adults Consuming Plant-Based Diets Compared to Meat-Eaters: A Systematic Review. Nutrients, 14(1), 29. https://doi.org/10.3390/nu14010029

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