Gestörter Schlaf – die verborgene Ursache für mentale Erschöpfung und Depression?
Schlafstörungen sind in der medizinischen und psychiatrischen Praxis weit verbreitet, doch ihre Auswirkungen gehen weit über den klinischen Bereich hinaus und betreffen auch die breite Öffentlichkeit. Ein ausreichender und erholsamer Schlaf ist entscheidend für die Gesundheit und das Wohlbefinden. Wenn der Schlaf gestört ist, leidet die Lebensqualität erheblich (Zammit et al., 1999). Diese Störungen können eigenständig auftreten oder Symptome anderer psychiatrischer, medizinischer und lebensstilbedingter Probleme sein. Dieser Blog legt den Fokus auf die medizinischen Ursachen von Schlafstörungen und deren Auswirkungen auf die Psyche. Dabei soll speziell der Zusammenhang zwischen Schlaf und mentaler Gesundheit beleuchtet werden, um ein besseres Verständnis für dieses komplexe Thema zu fördern.
Schlafstörungen
Gelegentlich hat jeder einmal eine schlechte Nacht. Doch rund 6 von 100 Menschen leiden an ernsthaften Schlafproblemen: Sie haben Schwierigkeiten beim Ein- oder Durchschlafen und wachen morgens nicht erholt auf. Tritt dies mindestens dreimal pro Woche über einen Monat hinweg auf, bezeichnen Fachleute dies als Insomnie (Ärztliches Zentrum für Qualität in der Medizin, 2018). Etwa ein Drittel der Erwachsenen leidet am sogenannten Schlafmangelsyndrom, während 20% von chronischer Schlaflosigkeit berichten. Wie aus der folgenden Grafik zu entnehmen ist, gaben in Deutschland etwa 43 % der Befragten an, unter Schlafstörungen gelitten zu haben. Dazu gehören beispielsweise Probleme beim Einschlafen oder Durchschlafen sowie Schlaflosigkeit (Bocksch, 2023).
Die Prävalenz von Schlafstörungen steigt mit zunehmenden Alter deutlich an. Allgemein lässt sich beobachten, dass sie von 5 % bei Personen im Alter von 30 bis 50 Jahren auf 30 % bei Personen über 50 Jahren ansteigt. Ältere Erwachsene zeigen oft eine verkürzte Gesamtschlafzeit und eine erhöhte Häufigkeit nächtlichen Erwachens. Zusätzlich leiden ältere Menschen ab 60 Jahren häufiger unter generellen Gesundheitsproblemen und nehmen vermehrt Medikamente ein, wie beispielsweise Kortikosteroide oder Psychopharmaka. Diese Medikamente können Schlafstörungen begünstigen. Das Geschlecht ist ebenfalls ein wichtiger Aspekt bei der Betrachtung von Schlafstörungen. Primäre Schlafstörungen sind Schlafprobleme, die nicht auf eine andere zugrunde liegende medizinische oder psychische Störung zurückzuführen sind. Diese Schlaflosigkeit betrifft häufiger Frauen, wobei das Verhältnis von Frauen zu Männern bei 3:2 liegt. Hormonelle Schwankungen während des Menstruationszyklus oder in den Wechseljahren können ebenfalls Schlafstörungen auslösen (Roy et al., 2019). Es gibt Vermutungen darüber, dass diese hormonellen Veränderungen einen Beitrag zu diesem Geschlechterunterschied leisten könnten, jedoch ist die genaue Ursache für dieses Geschlechterverhältnis komplex und erfordert weitere Forschung, um vollständig verstanden und validiert zu werden.
Neben medizinischen Ursachen, wie Herzerkrankungen Lungenerkrankungen, oder der Einnahme von bereits erwähnten Medikamenten können auch psychische Erkrankungen, wie Depressionen oder traumatische Ereignisse, zu Schlaflosigkeit führen (Roy et al., 2019). Zusätzlich können Lifestyle-Faktoren wie übermäßige Nutzung von sozialen Medien, Bildschirmzeit und schlechte Ernährungsgewohnheiten sowohl als Ursache als auch als Risikofaktoren für Schlafstörungen fungieren. Diese Störungen können das natürliche Gleichgewicht der neurochemischen Prozesse im Gehirn beeinträchtigen, die den Schlaf-Wach-Zyklus regulieren, und sich in Schlaflosigkeit, nächtlichem Erwachen, Angstzuständen oder Albträumen äußern.
Back to Basics
Schlaf lässt sich in zwei Hauptkategorien einteilen, die jeweils unterschiedliche Muster der Zentralnervensystemaktivität aufweisen:
1. REM-Schlaf: Dieser Zustand ist durch Muskelatonie, periodische REM-Schlafphasen und schnelle Wellen mit niedriger Amplitude im EEG gekennzeichnet. Die meisten Träume treten während des REM-Schlafs auf.
2. Non-REM-Schlaf (NREM-Schlaf): Er besteht aus vier aufeinanderfolgenden Stadien, bekannt als Schlafstadien 1 bis 4. Diese Stadien unterscheiden sich durch die Tiefe des Schlafs und die Art der Gehirnaktivität.
Stadium 1 (NREM 1): Übergangsphase zwischen Wachsein und Schlafen. Leichter Schlaf, unwillkürliche Muskelzuckungen, langsame Augenbewegungen.
Stadium 2 (NREM 2): Vertiefter Schlaf. Körpertemperatur und Herzfrequenz sinken. Die Gehirnwellen zeigen kurze Ausbrüche von schneller Aktivität.
Stadium 3 (NREM 3): Tiefer Schlaf oder Slow-Wave-Schlaf (SWS). Die Gehirnaktivität verlangsamt sich weiter und zeigt langsame Wellen, bekannt als Delta-Wellen. In diesem Stadium ist es schwierig, jemanden aufzuwecken, und der Körper beginnt sich intensiv zu erholen und zu reparieren.
Stadium 4 (NREM 4): Tiefster Schlaf mit dominanten Delta-Wellen. Es ist der schwerste Schlafzustand, aus dem man nur schwer geweckt werden kann. Der Körper durchläuft hier wichtige Regenerationsprozesse, und das Immunsystem wird gestärkt.
Die Schlaf-Wach-Zyklen werden von komplexen biologischen Prozessen gesteuert, die als innere Uhren fungieren. Der Nucleus suprachiasmaticus im Hypothalamus ist so etwas wie die innere Uhr des Körpers. Er kontrolliert die Freisetzung eines Hormons namens Melatonin, das dabei hilft, den Schlaf-Wach-Zyklus zu regulieren. Normalerweise folgt dieser Zyklus einem etwa 25-Stunden-Rhythmus. Die Zirbeldrüse, ist verantwortlich für die Produktion und Freisetzung von Melatonin. Sie reagiert auf Signale vom Nucleus suprachiasmaticus, um die Menge an ausgeschiedenem Melatonin zu regulieren. Wenn die Zirbeldrüse hellem Licht ausgesetzt ist, wird weniger Melatonin freigesetzt, wodurch der Melatoninspiegel während der Wachphasen am niedrigsten ist. Darüber hinaus spielen auch Neurotransmitter eine wichtige Rolle beim Schlaf. Es wird angenommen, dass mehrere dieser chemischen Botenstoffe, darunter Serotonin, Noradrenalin und Acetylcholin, an der Regulation des Schlaf-Wach-Zyklus beteiligt sind.
Komplexe biologische Prozesse spielen also eine entscheidende Rolle als innere Uhren, die die Schlaf-Wach-Zyklen steuern und den nahtlosen Übergang zwischen verschiedenen Schlafphasen wie dem traumhaften REM-Schlaf und dem tiefen NREM-Schlaf koordinieren. Störungen im Muster und der Periodizität dieser Schlafphasen können zu Unregelmäßigkeiten führen, die den nächtlichen Schlaf beeinträchtigen. Zum Beispiel könnte eine Störung im Muster des REM-Schlafs bedeuten, dass jemand entweder zu lange in dieser Traumphase verweilt oder dass sie häufig unterbrochen wird, was zu unruhigem Schlaf führt. Ähnlich könnte eine Störung in der Periodizität bedeuten, dass die übliche Abfolge der Schlafphasen gestört ist, zum Beispiel wenn eine Person nicht in die tiefere Stufe des NREM-Schlafs übergeht, wie es normalerweise geschieht. Diese Art von Störungen sind häufige Merkmale von Schlafstörungen und können zu Schlaflosigkeit, unruhigem Schlaf oder anderen Problemen führen, die die Schlafqualität beeinträchtigen (Roy et al., 2019). In diesem Zusammenhang stellt sich eine zentrale Frage: Wie viel Schlaf ist erforderlich, um eine optimale Gesundheit und Leistungsfähigkeit zu gewährleisten?
Wie viel Schlaf ist nötig?
Die individuellen Schlafbedürfnisse und -muster ändern sich im Laufe des Lebens. Es gibt keine festgelegte Anzahl von Stunden, die für jede Person gleichen Alters zutrifft. Aus der Abbildung geht hervor, dass Babys anfänglich etwa 16 bis 18 Stunden Schlaf pro Tag benötigen, um ihr Wachstum und ihre Gehirnentwicklung zu fördern. Im Gegensatz dazu benötigen Kinder und schulpflichtige Jugendliche durchschnittlich etwa 9,5 Stunden Schlaf pro Nacht. Die meisten Erwachsenen benötigen zwischen 7 und 9 Stunden Schlaf pro Nacht. Mit zunehmendem Alter tendiert der Nachtschlaf jedoch dazu, kürzer und leichter zu werden und wird häufiger durch nächtliche Unterbrechungen beeinträchtigt (NIH, o.J.). Neben dem Alter können auch andere Faktoren den individuellen Schlafbedarf beeinflussen, wie beispielsweise die körperliche Aktivität eines Leistungssportlers oder der Stresslevel einer Person, die möglicherweise einen erhöhten Regenerationsbedarf haben.
Es gibt also keine universelle „Anzahl der Schlafstunden“, die für jede Person gleichen Alters gilt, und die Dynamik des Schlafs entwickelt sich im Laufe des Lebens. Von den frühesten Lebensphasen bis ins hohe Alter passt sich der Schlaf an, um den sich verändernden Anforderungen und Bedingungen gerecht zu werden. Allerdings schlafen in der modernen Gesellschaft viele Menschen aufgrund ausgedehnter Arbeitszeiten und der ständigen Verfügbarkeit von Unterhaltungsmöglichkeiten und anderen rund um die Uhr stattfindenden Aktivitäten weniger, als es für ihre Gesundheit erforderlich wäre (NIH, o.J.).
Auswirkungen von Schlafmangel
Zwar treten die meisten gesundheitlichen Konsequenzen erst bei chronischem Schlafmangel ein, doch auch nach einer einzigen Nacht mit Schlafmangel können sich verschiedene Auswirkungen im Körper zeigen:
- Einmaliger Schlafentzug von drei Stunden kann bereits die Funktion wichtiger Immunzellen beeinträchtigen.
- Das Immunsystem wird geschwächt, was Entzündungen im Körper begünstigen kann.
- Kognitive Funktionen wie Aufmerksamkeit, Gedächtnis, Problemlösungsfähigkeiten und Entscheidungsfindung sind beeinträchtigt.
- Die Konzentrationsfähigkeit nimmt ab.
- Symptome wie Depressionen oder Ängste können verstärkt werden.
- Das Risiko für Stoffwechselerkrankungen erhöht sich.
- Schlafmangel kann die Fähigkeit zur angemessenen Regulierung von Emotionen beeinträchtigen (Colten & Altevogt, 2006).
Der Mangel an ausreichendem Schlaf kann zu einer Vielzahl von psychischen Problemen führen, darunter Angstzustände, Depressionen, Reizbarkeit, Konzentrationsstörungen und Stress. Auf der anderen Seite können psychische Störungen, wie Depressionen oder Angststörungen, den Schlaf beeinträchtigen und zu Schlafstörungen führen. Es ist ein sich gegenseitig verstärkender Zyklus, der sowohl den Schlaf als auch die psychische Gesundheit beeinflusst. Während dieser Beitrag sich vorrangig auf die psychischen Auswirkungen von Schlafmangel konzentriert, ist es wichtig anzumerken, dass die Folgen von Schlafmangel grundlegend weitreichend sein können. Weitere Konsequenzen können auftreten, wie ein erhöhtes Verletzungsrisiko aufgrund von verminderter Aufmerksamkeit und Koordination, eine beeinträchtigte Lebensqualität infolge von Erschöpfung und verminderter Leistungsfähigkeit sowie Beeinträchtigungen im sozialen Leben aufgrund von Gereiztheit und Rückzugstendenzen.
Während sich dieser Fokus auf die psychischen Auswirkungen konzentriert, ist es wichtig anzumerken, dass die Folgen von Schlafmangel grundlegend weitreichend sein könne
Aktueller Studien Exkurs
Ein erholsamer Schlaf ist entscheidend für das körperliche und emotionale Wohlbefinden. Doch was passiert, wenn Schlafstörungen auftreten und der Ruhezustand gestört wird? Eine wachsende Zahl von Forschungsstudien hat begonnen, die Verbindung zwischen Schlafqualität und psychischer Gesundheit zu untersuchen. Das deutet darauf hin, dass das Thema zunehmend an Bedeutung gewinnt und mehr Aufmerksamkeit in der wissenschaftlichen Gemeinschaft erhält. Im folgenden Abschnitt werden zwei aktuelle Studien aus dem Jahr 2023 beleuchtet, da sie interessante Erkenntnisse im Zusammenhang mit der Verbindung zwischen Schlafqualität und psychischer Gesundheit bieten.
Schlafstörungen erhöhen das Risiko für suizidale Gedanken
Selbstmord ist bei jungen Erwachsenen die zweithäufigste Todesursache, wobei Selbstmordgedanken häufig bei Personen auftreten, die an Depressionen leiden (Bingert et al., 2023). Jedoch wurden bisher keine klaren Faktoren identifiziert, die ein erhöhtes Risiko für Selbstmordgedanken vorhersagen könnten. Schlafstörungen stellen einen vielversprechenden, modifizierbaren Risikofaktor für Veränderungen im Suizidrisiko dar, obwohl es nur begrenzte Daten über die Auswirkungen nächtlicher Schlafstörungen auf dieses Risiko gibt. Eine kürzlich veröffentlichte Studie in Psychiatry Research untersuchte 102 junge Erwachsene im Alter von 18 bis 35 Jahren, die zuvor suizidales Verhalten gezeigt hatten, wobei 74,5 % weiblich waren (Cox et al., 2023). Dies umfasste Verhaltensweisen wie Vorbereitung auf einen Selbstmordversuch und/oder abgebrochene, unterbrochene oder tatsächliche Selbstmordversuche. Über einen Zeitraum von 21 Tagen beantworteten die TeilnehmerInnen sieben semi-zufällige Umfragen pro Tag zu ihren Schlafgewohnheiten und berichteten über das Vorhandensein von Suizidgedanken seit der letzten Umfrage. Eine semi-zufällige Umfrage ist eine Befragung, bei der die Zeitpunkte für die Datenerfassung im Voraus festgelegt werden, jedoch innerhalb dieser Zeitfenster eine gewisse Flexibilität besteht. In diesem Fall waren für jeden Tag sieben solcher Umfragen geplant, die zwischen den selbstberichteten Aufwach- und Schlafzeiten der Teilnehmer stattfanden. Die Ergebnisse zeigten, dass Albträume signifikant mit passiven Suizidgedanken verbunden waren, während sie keinen signifikanten Einfluss auf aktive Suizidgedanken hatten. Aktive Suizidgedanken beziehen sich auf Gedanken oder Absichten, die eine direkte Beteiligung an einem Selbstmordversuch beinhalten, wie etwa konkrete Pläne, sich selbst zu verletzen oder zu töten. Passive Suizidgedanken hingegen beziehen sich auf eine allgemeine Resignation oder Wunsch, nicht mehr zu leben, ohne konkrete Pläne oder Absichten, sich selbst aktiv zu schaden. Auch die Zeit bis zum Einschlafen hatte einen signifikanten positiven Einfluss auf sowohl passive als auch aktive Suizidgedanken.
TeilnehmerInnen, die länger brauchten, um einzuschlafen, berichteten eher über Suizidgedanken als solche, die weniger Zeit benötigten. Nach Nächten, in denen man länger wachliegt und die Schlafqualität schlechter ist als sonst, steigt das Risiko für sowohl passive als auch aktive Suizidgedanken in den folgenden Tagen. Weder der Zeitpunkt noch die Dauer des Schlafs hatten signifikante Auswirkungen auf das Auftreten von Suizidgedanken. Diese Erkenntnisse werfen nicht nur ein neues Licht auf die potenziellen Ursachen von Selbstmordgedanken, sondern bieten auch Einblicke in modifizierbare Risikofaktoren, die möglicherweise zur Prävention von Selbstmord beitragen können. Die Studie deutet darauf hin, dass eine komplexe Beziehung zwischen Schlafstörungen und Suizidgedanken besteht. Es bleibt jedoch unklar, ob Schlafstörungen oder Suizidgedanken zuerst auftreten und welche Faktoren diesen Zusammenhang beeinflussen. Zum Beispiel wird in der Diskussion über Schlafstörungen nicht berücksichtigt, wie posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS) aufgrund verschiedener traumatischer Ereignisse Albträume verursachen können. Da sich sowohl der Schlaf als auch das Suizidrisiko im Laufe des Lebens ändern, bleibt unklar, ob diese Ergebnisse auf die gesamte Lebensspanne verallgemeinert werden können, einschließlich Kindern, Jugendlichen und älteren Erwachsenen. Außerdem wurde die Stichprobe nicht auf das Vorhandensein klinischer Schlafstörungen untersucht, und diese Zusammenhänge könnten sich bei Personen mit akuten oder chronischen Schlafproblemen möglicherweise anders darstellen.
Immer mehr wird erkennbar, dass Schlafstörungen ein komplexes Thema sind, das noch genauer erforscht werden muss. Ein Bereich, der dabei besonders relevant ist, betrifft Schichtarbeit und ihre potenziellen Auswirkungen auf den Schlaf.
Schichtarbeit und Schlafstörungen
Für viele Menschen ist ausreichender Schlaf essenziell, um sich zu erholen und für den nächsten Tag Energie zu tanken. Schichtarbeit bringt hierbei eine Reihe von Herausforderungen mit sich, die sich negativ auf den Schlaf auswirken können. Dazu gehören unter anderem unregelmäßige Arbeitszeiten, die den natürlichen Schlaf-Wach-Rhythmus stören, sowie Schlafunterbrechungen durch Lärm und Licht während des Schlafes am Tag.
Im Jahr 2019 waren etwa 15,6 Prozent der erwerbstätigen Deutschen im Alter zwischen 15 und 64 Jahren in Schichtarbeit tätig (Eurostat, 2022). Doch wie beeinflusst diese unregelmäßige Arbeitszeit den Schlaf und die Schlafqualität der ArbeitnehmerInnen?
Eine umfassende belgische Querschnittbeobachtungssstudie hat aufgezeigt, dass SchichtarbeiterInnen häufiger von Kurzschlaf und verschiedenen Schlafstörungen betroffen sind (Boersma et al., 2023). Insbesondere NachtarbeiterInnen waren stark betroffen, wobei etwa die Hälfte von ihnen sechs Stunden oder weniger pro Nacht schlief und mindestens eine Schlafstörung aufwies. Schichtarbeit kann zu einem Ungleichgewicht zwischen Arbeit und Schlaf im Vergleich zum natürlichen zirkadianen Rhythmus führen und die Menge sowie Qualität des Schlafs beeinträchtigen.
In dieser breit angelegten Studie bewerteten Forscher die Schlafdauer und das Auftreten von Schlafstörungen bei ArbeitnehmernInnen in verschiedenen Schichtarbeitsplänen mithilfe von Fragebögen. Die Teilnehmer, 37.662 erwachsene belgische ArbeitnehmerInnen, wurden über eine belgische Zeitung rekrutiert (Boersma et al., 2023). Die Teilnehmer wurden basierend auf ihrem Arbeitsplan in Kategorien wie normaler Tag, früher Morgen, Abend, Nacht und Wechselschicht eingeteilt. In dieser Querschnittsstudie wurden die Prävalenzraten von Kurzschlaf (≤ 6 Stunden), Langschlaf (≥ 9 Stunden) und Schlafstörungen (ermittelt mit dem Holland Sleep Disorders Questionnaire) untersucht. Das Durchschnittsalter der endgültigen Stichprobe lag bei 40,1 ± 12,0 Jahren. Die Mehrheit der Teilnehmenden war weiblich (59,4 %), im Alter von 30 bis 50 Jahren (49,0 %), hatte einen akademischen Abschluss (58,7 %), arbeitete tagsüber (86,2 %) und lebte mit Partner und Kindern (39,5 %). Die Ergebnisse zeigten, dass alle Schichtarbeitspläne im Vergleich zur regulären Tagesarbeit negative Auswirkungen auf den Schlaf hatten, wobei die Nachtschichtarbeit den stärksten negativen Einfluss hatte. Etwa die Hälfte der NachtarbeiterInnen berichtete von kurzem Schlaf (6 Stunden oder weniger pro Nacht), verglichen mit 26 % der TagarbeiterInnen. Darüber hinaus wurden 51 % der NachtarbeiterInnen positiv auf mindestens eine Schlafstörung getestet, wobei 26 % positive Ergebnisse bei zwei oder mehr Schlafstörungen aufwiesen. Besonders deutlich waren die schädlichen Auswirkungen der Schichtarbeit auf den Schlaf bei jungen Erwachsenen unter 30 Jahren mit niedrigerem Bildungsniveau.
Es ist jedoch wichtig anzumerken, dass die Rekrutierung der TeilnehmerInnen über eine Zeitungsanzeige zu einer Stichprobenverzerrung geführt haben könnte, da nur ein bestimmtes Segment der Gesamtbevölkerung Zeitungen liest. Darüber hinaus gibt es eine mögliche Verzerrung, die die Übertragbarkeit der Ergebnisse mindert: Personen mit Schlafproblemen könnten eher geneigt sein, an einer Schlafstudie teilzunehmen als solche mit gutem Schlaf, was dazu führen könnte, dass Personen mit Schlafstörungen überrepräsentiert sind. Außerdem kann ein Fragebogen, wie er in der Studie verwendet wurde, nur eine Schätzung liefern. Dennoch weißt der Fragebogen eine gute klinische Validität auf und verdeutlicht die erheblichen Auswirkungen von Schichtarbeit auf den Schlaf und die Schlafqualität von ArbeitnehmerInnen. Zukünftige Forschungsansätze könnten die Untersuchung der Wirksamkeit von Schulungsmaßnahmen zur Schlafhygiene für SchichtarbeiterInnen umfassen. Weitere Studien könnten sich auf die Auswirkungen einer regelmäßigen Bewertung der Schlafqualität konzentrieren, spezifische Strategien wie Powernaps und Koffeinkonsum prüfen, verschiedene Schichtarbeitspläne bewerten und die Rolle familiärer Unterstützung für Schichtarbeiter untersuchen.
Fazit
Ein gesunder Schlaf ist nicht nur wichtig für unsere körperliche Regeneration, sondern beeinflusst auch maßgeblich unsere emotionale Stabilität und kognitive Leistungsfähigkeit. Die komplexen Wechselwirkungen zwischen Schlaf und Psyche können eine Vielzahl von Ursachen haben. Zum einen können Schlafstörungen psychische Probleme auslösen, indem sie Stresshormone erhöhen und die Stimmung beeinträchtigen. Andererseits können psychische Störungen den Schlaf negativ beeinflussen, sei es durch erhöhte Anspannung oder nächtliche Gedankenkreise. Diese enge Verbindung unterstreicht die Notwendigkeit einer ganzheitlichen Behandlung, die sowohl den Schlaf als auch die psychische Gesundheit berücksichtigt. Dies bedeutet, dass Behandlungsansätze sowohl auf die Verbesserung des Schlafs als auch auf die Bewältigung psychischer Belastungen abzielen sollten. Ein ausgewogener Lebensstil, regelmäßige Bewegung und Stressmanagement können dazu beitragen, die Qualität des Schlafs zu verbessern und die psychische Gesundheit zu stärken. Ein bewusster Umgang mit dem Schlaf und der psychischen Gesundheit kann einen positiven Einfluss auf das gesamte Wohlbefinden haben und dabei unterstützen, ein erfülltes und ausgeglichenes Leben zu führen.
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