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Medizin
10. Oktober 2024

Die unterschätzte Last von PMS: Fakten, Risiken und neue Behandlungsansätze

Lea Jäger

Das prämenstruelle Syndrom (PMS) betrifft viele Frauen und wird oft unterschätzt. Neben den klassischen PMS-Symptomen wie Stimmungsschwankungen und Erschöpfung leiden zahlreiche Frauen zusätzlich unter Regelschmerzen. Eine aktuelle Umfrage des AOK-Bundesverbands zeigt, dass 17 % der Frauen sich im vergangenen Jahr aufgrund von Regelschmerzen krankgemeldet haben und fast ein Drittel regelmäßig Schmerzmittel zur Linderung einnehmen muss (AOK, 2024). Diese Zahlen verdeutlichen die Notwendigkeit, Menstruationsbeschwerden einschließlich PMS ernst zu nehmen. Dieser Artikel beleuchtet die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse zu PMS und zeigt, wie Health Professionals dazu beitragen können, das Bewusstsein für diese häufigen Beschwerden zu stärken.

Was ist PMS und warum ist es so wichtig?

PMS ist mehr als nur eine "unangenehme Phase" im Zyklus einer Frau. Es handelt sich um ein wiederkehrendes Muster von körperlichen, psychischen und verhaltensbezogenen Symptomen, die typischerweise während der Lutealphase des Menstruationszyklus auftreten und mit Beginn der Menstruation abklingen (Johnson, 2004). Diese Symptome, wie Brustspannen, Müdigkeit, Gereiztheit oder sogar depressive Verstimmungen, können so ausgeprägt sein, dass sie die Beziehungen und den Alltag der Betroffenen erheblich belasten.

Abbildung 1: Der weibliche Zyklus von 28 Tagen (in Anlehnung an Osterhaus, 2023)

Die Problematik ist dabei nicht nur auf die individuellen Beschwerden beschränkt. Wie bereits erwähnt, haben sich laut einer Umfrage des AOK-Bundesverbands 17 % der betroffenen Frauen im letzten Jahr aufgrund ihrer Schmerzen krankgemeldet, während fast ein Drittel regelmäßig Schmerzmittel einnehmen muss, um den Alltag zu bewältigen (AOK, 2024). Der gesellschaftliche Umgang mit diesen Beschwerden ist oft noch von Unverständnis geprägt, was dazu führt, dass viele Frauen nicht die notwendige Unterstützung erhalten.

Wie entsteht PMS? Ein Blick auf die Pathophysiologie

Obwohl die genaue Ursache von PMS noch nicht vollständig geklärt ist, gibt es mehrere Theorien, die wertvolle Ansätze liefern. Ein zentraler Faktor scheint das hormonelle Ungleichgewicht während des Zyklus zu sein, insbesondere Schwankungen im Serotoninspiegel (Ismaili et al., 2016). Serotonin, ein Neurotransmitter, der für die Regulation von Stimmung, Schlaf und Appetit verantwortlich ist, kann bei Frauen mit PMS niedriger sein, was erklärt, warum selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) häufig zur Behandlung eingesetzt werden (Marjoribanks et al., 2013).

PMS lässt sich jedoch nicht auf eine einzige Ursache reduzieren. Neben hormonellen Schwankungen gibt es weitere Hypothesen, darunter Störungen des Neurotransmitterhaushalts, genetische Veranlagungen und Umweltfaktoren. Da keine Theorie alle Facetten von PMS abdeckt, sollte PMS als ein multifaktorielles Syndrom angesehen werden, das durch eine Kombination verschiedener Einflüsse entsteht.

Ein weiterer potenzieller Einflussfaktor ist der Nährstoffhaushalt. Ein Mangel an Magnesium und Calcium wurden mit PMS in Verbindung gebracht. Die Supplementierung dieser Mineralstoffe zeigt vielversprechende Ergebnisse bei der Linderung von Symptomen (Hemingway, 2024). Allerdings ist die Forschung auf diesem Gebiet noch uneinheitlich. Während einige Untersuchungen positive Effekte nachweisen, bleiben andere Ergebnisse weniger eindeutig. Daher sollte die Supplementierung nicht als universelle Lösung dargestellt werden.

Zusätzlich spielen individuelle Risikofaktoren bei der Entstehung von PMS eine Rolle, welche die Wahrscheinlichkeit erhöhen, prämenstruelle Symptome zu entwickeln. Diese Faktoren wirken oft in Kombination mit hormonellen Ungleichgewichten und Nährstoffmängeln und können den Verlauf von PMS erheblich beeinflussen.

Risikofaktoren für PMS

Obwohl PMS Frauen aller Altersgruppen betreffen kann, gibt es bestimmte Faktoren, die das Risiko für die Entwicklung schwerer prämenstrueller Symptome erhöhen. Studien haben folgende Risikofaktoren identifiziert (Bertone-Johnson et al., 2008; Bertone-Johnson et al., 2015; Braverman, 2007):

  • Fettleibigkeit: Frauen mit einem Body-Mass-Index (BMI) von 30 oder höher haben ein fast dreimal so hohes Risiko an PMS zu erkranken, im Vergleich zu Frauen mit einem niedrigeren BMI.
  • Rauchen: Raucherinnen leiden häufiger unter schwerwiegenden PMS-Symptomen. Die Wahrscheinlichkeit, starke Symptome zu entwickeln, ist bei Raucherinnen doppelt so hoch wie bei Nichtraucherinnen.
  • Missbrauch in der Kindheit: Emotionaler, sexueller oder körperlicher Missbrauch in der Kindheit kann das Risiko für PMS in den reproduktiven Jahren deutlich erhöhen.

Diese Faktoren stehen in einem korrelativen Zusammenhang, was bedeutet, dass sie das Risiko für PMS erhöhen können, aber nicht direkt die Ursache des Syndroms sind. Ein erhöhtes Risiko bedeutet also nicht zwangsläufig, dass PMS durch diese Faktoren verursacht wird.

Das Bewusstsein über diese Risikofaktoren ist dennoch wichtig, um präventive Maßnahmen frühzeitig einzuleiten und eine gezieltere Behandlung zu ermöglichen. Frauen, die einen oder mehrere dieser Risikofaktoren aufweisen, sollten PMS-Symptome besonders aufmerksam beobachten und bei Bedarf rechtzeitig professionelle Beratung und Unterstützung in Anspruch nehmen.

Entzündungen und PMS

Aktuelle Studien zeigen zudem, dass Entzündungen eine wichtige Rolle bei der Entstehung von PMS spielen könnten. Erhöhte Spiegel entzündungsfördernder Zytokine wie IL-6, IL-12 und IFN-γ wurden bei Frauen mit PMS nachgewiesen, was auf eine aktive Beteiligung des Immunsystems an den zyklischen Beschwerden hindeutet (Bertone-Johnson et al., 2014).

Beispielsweise waren die Werte von Zytokinen wie IL-12 und IFN-γ bei Frauen, die die Kriterien für PMS erfüllten, mehr als doppelt so hoch wie in den Kontrollgruppen. Interessanterweise blieben diese Zusammenhänge bestehen, selbst wenn Faktoren wie Body-Mass-Index (BMI), Rauchen und Alkoholkonsum, die ebenfalls mit chronischen Entzündungen in Verbindung stehen, berücksichtigt wurden.

Zudem weisen Frauen mit PMS häufig erhöhte Entzündungsmarker wie hsCRP auf, was die Hypothese stützt, dass eine unangemessene Entzündungsreaktion zur Entstehung von PMS beitragen kann. hsCRP ist ein Protein im Blut, das in geringen Mengen nachgewiesen wird und auf niedrige, aber anhaltende Entzündungen hinweist, die langfristig schädlich sein können. Entzündungshemmende Ansätze haben sich in diesem Kontext als vielversprechend erwiesen: Die Einnahme von Curcumin reduzierte beispielsweise die hs-CRP-Werte bei Frauen mit PMS signifikant und führte zu einer Verbesserung der Symptome. In dieser Studie erhielten Teilnehmerinnen 500 mg Curcumin + Piperin täglich, beginnend 7 Tage vor bis 3 Tage nach der Menstruation, über drei aufeinanderfolgende Menstruationszyklen (Talebqpour et al., 2023).

Es erscheint daher sinnvoll, entzündungshemmende Strategien bei Patientinnen mit PMS und nachweislich erhöhten Entzündungsmarkern in Betracht zu ziehen. Potenzielle Ansätze umfassen eine entzündungshemmende Ernährungsweise (wie beispielsweise die Einnahme von Curcumin), Lebensstilinterventionen (wie regelmäßige körperliche Aktivität und Stressreduktion) sowie in bestimmten Fällen auch pharmakologische Behandlungsoptionen, etwa nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR).

Symptome und Lebensqualität: Mehr als nur "ein bisschen Unwohlsein"

Die Bandbreite der PMS-Symptome ist groß und variiert von Frau zu Frau. Zu den häufigsten gehören die bereits erwähnten körperlichen Beschwerden wie Brustspannen, Kopfschmerzen und Wassereinlagerungen, aber auch psychische Symptome wie Stimmungsschwankungen, Angstzustände und Depressionen. Diese Symptome können so schwerwiegend sein, dass sie das soziale Leben und die berufliche Leistungsfähigkeit erheblich beeinträchtigen. Für viele Frauen bedeutet das, dass sich ihr Leben für mehrere Tage im Monat drastisch verändert. Die emotionale Belastung kann zusätzlichen Stress verursachen, was die Symptome oft noch verstärkt (Johnson, 2004).

Ein weiterer, häufig übersehener Aspekt ist das erhöhte Risiko für komorbide Erkrankungen. Studien belegen, dass Frauen mit PMS ein höheres Risiko für Essstörungen, wie Bulimia nervosa und möglicherweise ein erhöhtes Risiko für Bluthochdruck im späteren Leben haben (Bertone-Johnson et al., 2015; Nobles et al., 2016). Diese Erkenntnisse unterstreichen, wie wichtig eine umfassende Diagnose und individuelle Therapie für betroffene Frauen ist.

Diagnostische Verfahren: Wie wird PMS erkannt?

Da PMS ein komplexes Syndrom ist, das sich durch eine Vielzahl von Symptomen auszeichnet, ist die Diagnose nicht immer einfach. Traditionelle Selbstberichtsmaßnahmen wie das Premenstrual Symptoms Screening Tool (PSST) oder das Premenstrual Assessment Form (PAF-SF) (Allen et al., 1991) bieten wertvolle Hilfe bei der Identifizierung von PMS. Diese Tools erfassen die Art und Intensität der Symptome und helfen dabei, PMS von anderen zyklusbedingten Beschwerden zu unterscheiden. Besonders in der klinischen Praxis sind solche kurzen, aber aussagekräftigen Fragebögen nach wie vor nützlich, um schnell einen Überblick über die prämenstruellen Beschwerden zu erhalten.

Doch das Verständnis von PMS hat sich in den letzten Jahren weiterentwickelt und moderne Ansätze berücksichtigen zunehmend dynamische Faktoren wie hormonelle Schwankungen, psychische Belastungen und chronische Entzündungen. Eine wichtige Ergänzung ist auch die Blutdiagnostik, die Aufschluss über hormonelle Ungleichgewichte oder Nährstoffmängel wie Magnesium geben kann.

Digitale Technologien, wie Zyklus-Apps, die Symptome in Echtzeit erfassen, ermöglichen eine personalisierte und präzisere Diagnose. Diese neuen Tools bieten eine wertvolle Ergänzung zu den klassischen Methoden und helfen Health Professionals, ein vollständigeres Bild der individuellen Symptomatik zu bekommen.

Durch die Kombination bewährter Fragebögen, Blutdiagnostik und modernen, datenbasierten Ansätzen kann eine umfassendere und zielgerichtetere Diagnose gestellt werden, die den betroffenen Frauen optimal zugutekommt.

Behandlungsmöglichkeiten: Ein ganzheitlicher Ansatz

Die Behandlung von PMS sollte individuell auf die Patientin abgestimmt sein und kann eine Kombination aus Lebensstiländerungen und medikamentösen Ansätzen umfassen. Eine der ersten Maßnahmen besteht meistens in der Optimierung der Ernährung: Eine ausgewogene Ernährung, reich an frischem Obst, Gemüse und Vollkornprodukten, kann helfen, die Symptome zu lindern. Hierbei sollten insbesondere Magnesium und Calcium berücksichtig werden, da deren Mängel häufig mit PMS assoziiert werden (Hemingway, 2024). Regelmäßige Bewegung und Stressbewältigungsstrategien wie Yoga oder Meditation können ebenfalls dazu beitragen, die Beschwerden zu mildern (Rezvani et al., 2013; Yang & Kim, 2016).

Auch die Nährstofftherapie, insbesondere mit Mönchspfeffer (Vitex agnus-castus), hat sich sowohl in wissenschaftlichen Studien als auch in der Erfahrungsmedizin bewährt. Mönchspfeffer kann prämenstruelle Beschwerden wie Gereiztheit und Brustspannen wirksam lindern und wird gezielt zur Unterstützung bei PMS eingesetzt (Csupor et al., 2019; Schellenberg et al., 2012). Sein Einsatz kann eine sinnvolle Ergänzung zu anderen Behandlungsansätzen bieten und kann helfen, Symptome zu reduzieren.

Zusätzlich könnten in Zukunft entzündungshemmende Ansätze an Bedeutung gewinnen, da Entzündungen zunehmend als wichtiger Faktor bei PMS betrachtet werden. Aber auch hier ist es wichtig zu erwähnen, dass die Forschung sich in diesem Bereich noch in einem frühen Stadium befindet. Obwohl erste Ergebnisse vielversprechend sind, ist es noch zu früh, entzündungshemmende Ansätze als Standardtherapie für PMS zu empfehlen. Weitere Studien sind notwendig, um den genauen Zusammenhang zwischen Entzündungen und PMS zu verstehen und wirksame Behandlungsstrategien zu entwickeln.

Fazit: Ganzheitliche Ansätze für die Behandlung von PMS

Das prämenstruelle Syndrom betrifft einen Großteil der menstruierenden Frauen und wird dennoch in der klinischen Praxis häufig unterschätzt oder zu wenig thematisiert. Der Einfluss von PMS auf die Lebensqualität der betroffenen Frauen – sei es durch emotionale Schwankungen, körperliche Beschwerden oder soziale Beeinträchtigungen – ist erheblich und erfordert einen multidisziplinären Ansatz.

Was bedeutet das konkret für Health Professionals? Es ist entscheidend, PMS nicht als bloße "normale" Zyklusschwankung zu behandeln, sondern als eigenständiges Syndrom, das eine gezielte und individuelle Therapie benötigt. Neben bewährten Diagnosetools wie dem PAF-SF oder PSST, die helfen, PMS besser zu identifizieren und von anderen Zyklusstörungen abzugrenzen, spielt die Blutdiagnostik eine zentrale Rolle. Sie liefert wichtige Informationen über hormonelle Ungleichgewichte und Nährstoffmängel wie Magnesium oder Calcium, die gezielt behandelt werden können.

Moderne digitale Technologien bieten zusätzlich neue Möglichkeiten. Beispielsweise können Zyklus-Apps Symptome in Echtzeit erfassen und wertvolle Unterstützung bieten, um den Verlauf von PMS besser zu verstehen und die Behandlung individuell anzupassen.

Darüber hinaus ist es wichtig, über die bloße Symptombehandlung hinauszugehen. Die Analyse von Blutwerten erlaubt eine gezielte Therapie, die auf die individuellen Bedürfnisse der Patientinnen abgestimmt ist. Der gezielte Einsatz von Mikronährstoffen, abgestimmt auf die Blutwerte, sowie gezielte Lebensstiländerungen können helfen, die Symptome langfristig zu lindern und die Lebensqualität der betroffenen Frauen deutlich zu verbessern.

Lea Jäger
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Christian Kirchhoff
Christian Kirchhoff

Christian ist Teil unseres Research Teams und beschäftigt sich täglich mit wissenschaftlichen Arbeiten und Studien. Er interessiert sich für das „Warum“ – also die Argumentationskette - hinter den Dingen und bereitet aktuelle Daten für Trainer, Therapeuten und Ärzte so auf, dass ihnen der Transfer von der Wissenschaft in die Praxis gelingt.

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Quellen

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AOK. (2024). Pressemitteilung, AOK-Umfrage: 66 Prozent der Frauen in Bayern leiden unter Menstruationsschmerzen. Gefunden am 27.09.2024 unter https://www.aok.de/pp/fileadmin/bereiche/bayern/Pressemitteilung/2024/32_Umfrage_Menstruation/32_AOK_Bayern-Umfrage_66_Prozent_der_Frauen_in_Bayern_leiden_unter_Menstruationsschmerzen.pdf

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